Dein Online-Praktikum: Erhebung der Anklage (Staatsanwalt/Staatsanwältin)

Bronzefigur der Justitia. Sie trägt eine Augenbinde und hält in der rechten, erhobenen Hand eine Waage.

Die eAkte von Max S. liegt jetzt bei der Staatsanwaltschaft. Damit ist das Ermittlungsverfahren in eine entscheidende Phase eingetreten. Die Staatsanwaltschaft begutachtet nun als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ sämtliche Untersuchungsergebnisse der Polizei. Hier wird von dem zuständigen Staatsanwalt entschieden, ob die vorliegenden Beweise schwerwiegend genug sind, um den hinreichenden Tatverdacht festzustellen und somit Anklage gegen den Beschuldigten zu erheben.

Dabei trägt die Staatsanwaltschaft eine besondere Verantwortung. Sie ist gesetzlich verpflichtet, objektiv zu bleiben und darf nicht einseitig gegen den Beschuldigten ermitteln. Das bedeutet für dich: Du musst belastende und entlastende Umstände gleichermaßen berücksichtigen.

Nur wenn nach gründlicher Prüfung aller Fakten eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch (hinreichender Tatverdacht), wird Anklage erhoben. Andernfalls muss das Verfahren eingestellt werden.

Berufsvorstellung: Staatsanwalt/Staatsanwältin

Staatsanwälte vertreten den Staat in Strafverfahren. Wenn jemand z. B. eine Straftat begeht, leiten sie die Ermittlungen, oft zusammen mit der Polizei. Wenn genug Beweise vorliegen, erheben sie Anklage. Sie treten dann vor Gericht auf und fordern eine Strafe.

Besonderheit: Staatsanwälte müssen objektiv sein. Sie suchen nach der Wahrheit – nicht nur nach einer Verurteilung.

Lerne Michael kennen: Michael ist Staatsanwalt. Er vertritt den Staat – also uns alle – vor Gericht. Er prüft den Fall unparteiisch, leitet die Ermittlungen und entscheidet, ob Anklage erhoben wird.

Interview mit Michael (Staatsanwalt bei der Berliner Justiz)

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Formate: video/movingimage

Erfahre mehr darüber, wie du Staatsanwalt/Staatsanwältin wirst.

Deine interaktive Aufgabe: Die Beweismittelanalyse

Die Polizei hat vor Ort bereits wichtige Vorarbeit geleistet: Zeugen wurden vernommen und Beweisfotos angefertigt. Nun beginnt die juristische Feinarbeit. Du musst prüfen, ob die gesammelten Informationen rechtlich tragfähig sind.

Deine Aufgabe ist es dabei, die gesammelten Informationen zu bewerten. In der eAkte findest du Fotos der sichergestellten Gegenstände, Videoaufnahmen aus dem Elektronikmarkt, Protokolle der Zeugenaussagen und die Einlassung von Max S. selbst. Prüfe die Beweismittel sorgfältig und hilf dem Staatsanwalt die Anklage gegen Max S. zu formulieren.

Beweismittel: Fotos. Hier sind mehrere Antworten für die Lösung möglich.

  • Schwarze Over-Ear-Kopfhörer mit gepolsterten Ohrmuscheln und braunem Kopfband liegen auf einer weißen Fläche; ein Audiokabel ist angeschlossen und verläuft nach links aus dem Bild.
    Bild 1: Kopfhörer

    Im Rucksack von Max S. wurden Kopfhörer gefunden.

  • Ein silbernes Schweizer Taschenmesser mit aufklappbaren Werkzeugen, darunter eine kleine Klinge, eine Nagelfeile und eine kleine Schere, liegt auf einem hellgrauen Untergrund.
    Bild 2: Taschenmesser

    Im Rucksack von Max S. wurde ein Taschenmesser gefunden.

  • Ein geöffnetes Notizbuch mit Spiralbindung, das links eine braune, unbeschriebene Kartonabdeckung und rechts eine leere, weiße Seite zeigt.
    Bild 3: Leerer Notizblock

    Im Rucksack von Max S. wurde ein leerer Notizblock gefunden.

  • Nahaufnahme einer an der Decke hängenden Überwachungskamera, umgeben von metallischen Kabeltrassen.
    Bild 4: Überwachungskamera

    Es gibt eine Videoaufnahme der Überwachungskamera, die Max S. bei den Kopfhörern zeigt.

Welcher der Fotos zeigt relevantes Beweismaterial?

Beweismittel: Vernehmungen

In der eAkte befinden sich jene Aussagen, welche von den Polizisten vor Ort aufgenommen worden sind. Es handelt sich hierbei um Vernehmungsprotokolle (bei Zeugen) und eine Beschuldigtenvernehmung (bei Max S.). Im Folgendem ist ein Auszug aus der eAkte mit der Vorgangsnummer 123 Ds 456/25 zu sehen.

Lies dir die Aussagen gründlich durch. Im Anschluss an jede Aussage musst du jeweils entscheiden, ob diese relevant für die Anklageschrift ist.

Zeugenvernehmung von Aminata M. (Angestellte Elektromarkt)

Aminata M. (Zeugin):

"Ich war als Kassiererin in der genannten Filiale, als Max S. im Elektromarkt einkaufen war. Am Tattag war ich an Kasse 3 eingeteilt. Gegen 14:00 Uhr trat der spätere Beschuldigte an meine Kasse. Mir fiel auf, dass die Person lediglich eine kleine Batterie zur Bezahlung vorlegte, jedoch einen prall gefüllten Rucksack bei sich führte. Aufgrund der Diskrepanz zwischen dem geringwertigen Kauf und dem Volumen des Rucksacks wurde ich misstrauisch. Zudem hatte ich die Person kurz zuvor in der Abteilung für hochpreisige Audio-Elektronik beobachtet, wo er sich längere Zeit bei den teuren Kopfhörern aufgehalten hatte. Da erschien der Rucksack noch nicht so voll. Aufgrund dieses Verdachtsmoments informierte ich umgehend den Ladendetektiv, Herrn Oliver K., über meine Beobachtungen."
Ist die Zeugenaussage von Aminata M. für die Anklage relevant?

Zeugenvernehmung von Oliver K. (Ladendetektiv)

Oliver K. (Zeuge):

„Nach Hinweis durch die Zeugin Aminata M. beobachtete ich die männliche Person im Kassenbereich. Nachdem der Beschuldigte den Kassenbereich passiert hatte, ohne weitere Waren als die Batterien zu bezahlen, sprach ich ihn kurz vor Verlassen des Geschäftes an. Ich forderte den Mann auf, mich ins Büro zu begleiten und den mitgeführten Rucksack zu öffnen. Bei der Nachschau stellten wir fest, dass sich im Rucksack Kopfhörer im Originalkarton befanden, für die kein Kaufbeleg vorgewiesen werden konnte. Der Warenwert beläuft sich auf 600,00 EUR. Weiterhin wurde bei der Durchsicht des Rucksacks in der vorderen Tasche ein Taschenmesser (Klingenlänge ca. 7 cm) aufgefunden. Daraufhin verständigte ich die Polizei und sicherte sofort das entsprechende Überwachungsvideo. Die Kopfhörer hat der Mann direkt wieder abgegeben, ich habe Fotos dabei.“
Ist die Zeugenaussage von Oliver K. für die Anklage relevant?

Zeugenvernehmung von Sarah L. (Angestellte Elektromarkt)

Sarah L (Zeugin):

„Ich arbeite in der Fernsehabteilung am anderen Ende des Ladens. Ich habe Herrn K., unseren Detektiv, nur kurz in Richtung Ausgang gehen sehen. Den Angeklagten kenne ich nicht. Wir haben hier täglich hunderte Studenten im Laden, da achte ich nicht auf jeden Einzelnen. Um 14:00 Uhr war ich gerade dabei, die neuen 4K-Fernseher zu entstauben. Von dem Vorfall habe ich erst später im Pausenraum gehört.“
Ist die Zeugenaussage von Sarah L. für die Anklage relevant?

Zeugenvernehmung von Torsten G. (Passant / Kunde)

Torsten G (Zeuge):

„Ich stand draußen vor der Tür und habe geraucht. Da wurde jemand vom Detektiv festgehalten. Der Junge sah eigentlich ganz ordentlich aus, nicht wie jemand, der klaut. Er hatte eine blaue Jeans an, glaube ich. Aber was genau drinnen passiert ist, habe ich natürlich nicht gesehen. Ich fand nur, dass der Detektiv ziemlich streng geguckt hat. Mehr weiß ich nicht.“

Ist die Zeugenaussage von Torsten G. für die Anklage relevant?

Beschuldigtenvernehmung von Max S.

Max S (Beschuldigter):

„Nach Belehrung über meine Rechte als Beschuldigter und den Tatvorwurf möchte ich mich zur Sache äußern. Ich gestehe den Diebstahl. Ich bin mir bewusst, dass mein Handeln falsch war. Mein Motiv war, meiner Freundin, die Musikstudentin ist, diese speziellen Kopfhörer zum Geburtstag zu schenken. Aufgrund meiner finanziellen Situation als Student konnte ich mir den regulären Kaufpreis jedoch nicht leisten. Ich habe die Kopfhörer direkt an den Ladendetektiv zurückgegeben. Bezüglich des sichergestellten Taschenmessers möchte ich zu Protokoll geben, dass ich dieses nicht in der Absicht mitführte, es bei der Tat einzusetzen. Ich trage das Messer aus reiner Gewohnheit ständig bei mir, dies stammt noch aus meiner Zeit bei den Pfadfindern. Es lag keinerlei Verwendungsabsicht vor, und ich habe das Messer zu keinem Zeitpunkt benutzt oder vorgezeigt.“

Ist die Beschuldigtenvernehmung von Max S. für die Anklage relevant?

Deine interaktive Aufgabe: Erstellung der Anklageschrift

Basierend auf den vorliegenden Unterlagen entscheidet der Staatsanwalt Anklage zu erheben. In folgendem Dokument siehst du die Anklageschrift. Teile der Anklageschrift sind noch offen (siehe eckige Klammern in der Anklageschrift). Deine Aufgabe ist es diese Lücken zu füllen, um die Anklageschrift fertig zu stellen. Lies dir die Anklageschrift genau durch und triff die Entscheidung, wie die Lücken zu füllen sind, um die Anklage zu vervollständigen.

Geschäftszeichen: 123 Ds 456/25

Staatsanwaltschaft Berlin

An das Amtsgericht Tiergarten
- Strafrichter –

Anklageschrift

[Name], geb. am 15.03.2002 in Leipzig,
wohnhaft in Berlin, Prenzlauer Allee,
ledig, Student, nicht vorbestraft,

wird angeklagt,

in Berlin
am 15.06.2025

eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht weggenommen zu haben, sich die Sache rechtswidrig zuzueignen, wobei er ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führte.

Dem Angeschuldigten wird folgendes zur Last gelegt:

Am Tattag gegen 14:00 Uhr legte der Angeschuldigte in dem Elektronikfachmarkt in der Schönhauser Allee in Berlin, Kopfhörer im Wert von [Warenwert] in seinen Rucksack und passierte ohne Bezahlung den Kassenbereich, um diese für sich zu behalten. Dabei wusste der Angeschuldigte hierauf keinen Anspruch zu haben. In der vorderen Tasche seines Rucksacks führte er jederzeit griffbereit ein Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 7 cm mit sich. Vergehen strafbar gem. [Tatvorwurf]

Beweismittel:

  • Fotos der sichergestellten Gegenstände
  • Videoaufnahmen aus dem Elektronikmarkt
  • Protokolle der Zeugenaussagen
  • Einlassung von Max S.

Es wird beantragt, das Hauptverfahren zu eröffnen und die Anklage zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten – Strafrichter - zuzulassen.

Ausblick: So geht es weiter …

Du hast den Beruf des Staatsanwalts kennengelernt. Der Staatsanwalt hat die Beweise geprüft. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass ein "hinreichender Tatverdacht" besteht. Er hat Anklage gegen Max S. wegen Diebstahls mit Waffen (§ 244 StGB) erhoben, weil er bei dem Diebstahl ein Taschenmesser bei sich trug. Er fügt die Anklageschrift der eAkte hinzu. Nun liegt es an der Richterin zu entscheiden, ob sie dieser harten Einschätzung (§ 244 StGB, Mindeststrafe 6 Monate) folgt oder ob sie den Fall milder bewertet (§242, einfacher Diebstahl).

Ergebnis: Die eAkte mit der fertigen Anklageschrift wird nun an die zuständige Richterin am Amtsgericht Tiergarten weitergeleitet.